Rolf_McGyver hat geschrieben: ↑28.02.2022, 23:33
UKW über Kabel (das wird bei uns noch eingespeist), ist seit der AAC-Umstellung eine Katastrophe mit Aussetzern, Sprüngen und Knacksern, da sie in ihren Umsetzern das auch nicht richtig hin bekommen
Hochinteressant, danke! Du bist nicht der erste, von dem ich das lese, aber nun ist es wohl wirklich eindeutig: das AAC-Gemurkse erlaubt mit der bei Vodafone/UM vorhandenen Technik keine saubere Transcodierung für die Umsetzung nach UKW.
Rolf_McGyver hat geschrieben: ↑28.02.2022, 23:33
Kein Lieferant konnte mir bisher eine einwandfreie Funktion garantieren.
Das ist auch das einzige, was ein Lieferant machen kann, ohne sich einen Strick um den Hals zu legen. Wenn Du die Möglichkeit hättest, das AAC-Hörfunkangebot der ARD technisch zu analysieren, würdest Du noch heute die bizarrsten Fehler finden. Es gibt im Timing Probleme (PCR-Fehler), es gibt Drift über lange Zeit, es gibt offenbar - das konnte ich nicht nachweisen, aber das ist aufgrund der Befunde naheliegend - Diskrepanzen zwischen "Soll-Ausspielgeschwindigkeit" und Datenfluss.
Ich hatte die Möglichkeit, in den Output eines professionellen Transcodersystems reinzuhören, also eine serverbasierte Lösung zur Umrechnung des AAC-Hörfunks in den alten Standard MP2. Selbst da waren Knackser drin, und zwar offenbar schon eincodiert ins MP2, als quellseitig bereits vorhanden.
Fehlerfreies Abspielen ist auch im Februar 2022 noch Glückssache. Am ehesten funktioniert es übrigens tatsächlich mit Bemondis/Vistron, mit Ausnahme von Surround, das ist ein ganz eigenes, finsteres Kapitel. Ich kann für den VT855N sprechen und für HDTV-Sat-/Kabelreceiver von WISI, die durch Bemondis hergestellt wurden und nun 11 Jahre alt sind: Stereo funktioniert bei diesen Geräten meist fehlerfrei (seit Mitte Januar auch bei Programmen des BR, NDR und von Radio Bremen, die ARD hat dort die Encoder mit einem Workaround versehen, der den Empfängern zu besserer Datensteuerung verhilft), Aussetzer gibt es selten bis "gar nicht". Der VT855N kann darüber hinaus wenigstens Surround bei den Kulturwellen nach Stereo decodieren und ausgeben, die alten WISI-Geräte und viele weitere können das bislang nicht, die bleiben bei Surround-Sendungen während Mono-Inhalten stumm und während Surround-Inhalten kommt leise was in mono raus - sie decodieren den Center und geben ihn L/R aus.
Der LC-AAC-Decoder von Bemondis ist der beste, den ich bislang in Endkundengeräten fand: minimalste, wohl auf "Rundungsfehlern" in der Float-Integer-Umrechnung basierende Abweichungen zu den bekannten "Referenzen" FFmpeg, VLC, Winamp. Die Abweichungen sind weit unterhalb der Wahrnehmbarkeit und liegen im Grundrauschen. Abweichungen in Pegel, Dynamik, Lautstärke, Klangbild etc. gibt es nicht. Diese WISI-Receiver haben soweit mir bekannt den gleichen Prozessor wie der VDR110, der VT855N hat den nachfolge-Prozessor. ich habe verglichen: das Decoding ist bitgenau (!) identisch.
Aus den professionellen Empfangsgeräten, mit denen die ARD an manchen Standorten nun aus dem AAC-Satsignal UKW-Sender speist, dürfte auch keine bessere Qualität rauskommen.
Rolf_McGyver hat geschrieben: ↑28.02.2022, 23:33
Auch von den Herstellern erwarte ich ein klare Verantwortung ohne wenn und aber, wobei vorrangig natürlich die Provider liefern müssen. Diese kassieren Geld für Leistungen, die sie aktuell nicht mehr erbringen. Sie können sich nicht einfach mit "Entscheidungen der ARD" rausreden. Die ARD hat die Kabelbetreiber nicht verpflichtet, mit AAC ins Kabel einzuspeisen.
Vorsicht! Ich muss das etwas korrigieren, denn ich arbeite einem kleinen Kabelnetzbetreiber zu und kenne daher die Problematik.
Quelle aller Kabeleinspeisungen ist das normale Satellitensignal, das auch Direktempfänger von Astra bekommen. Eine andere Quelle für Signale gibt es nicht mehr - von Chaotenlösungen wie UKW-Redigitalisierungen oder Internetradiostream-Umwandlungen abgesehen. Die ARD hat via Satellit trotz Warnungen auf AAC umgestellt. Kleine Kabelnetzbetreiber können nicht anders, als das 1:1 durchzuleiten. Große Netzbetreiber, die keine Zentrale mit netzübergreifender Signalaufbereitung haben, sondern in den regionalen Netzinseln individuell von Satellit umsetzen, können auch kaum anders, als 1:1 umzusetzen. Warum? Weil ein professionelles Transcodersystem, das den ARD-Hörfunk mit seinen 64 Programmen standardkonform in MP2 Stereo und AC-3 Surround/Stereo umsetzt, ohne Hardware schon ca. 45.000 EUR netto kostet. Benötigt wird dazu noch ein Server, der auch nicht für Taschengeld zu haben ist. Dazu entstehen dann je Netzinsel noch laufende Kosten von geschätzt ca. 150 Watt Dauerleistungsaufnahme.
Mit 50.000 EUR (Brutto oder Netto ist da fast egal) kann man 4 kleine Kabelnetze komplett mit hochwertiger Umsetzertechnik für sämtliche deutschen Programmpakete von Satellit auf Kabel ausstatten - bei AAC-Durchleitung. Soviel Geld können Kleinkabler nicht alleine für die Wiederherstellung der Benutzbarkeit des ARD-Hörfunks ausgeben, in kleinen Netzen (Eigentums-Wohnanlagen, Dörfer, ...) übersteigt das locker das Gesamt-Jahresbudget. Auch Großbetreiber mit vielen kleinen Netzen können das nicht. Einzig Größtnetzbetreiber mit zentraler Programmpaketerstellung könnten das finanziell lässig - die Vodafone allen voran. Bei der Vodafone liegt das Problem vermutlich dann daran, dass sie von den Programmveranstaltern Einspeiseentgelte nimmt (die Programmveranstalter müssen dafür zahlen, dass ihre Programme das kostenpflichtige Angebot des Netzbetreibers bereichern dürfen!). 128 kBit/s LC-AAC mit etwa 150 kBit/s brutto auf dem Kanal sind nunmal billiger als 192 kBit/s MP2 mit ca. 200 kBit/s brutto auf dem Kanal. Und die 192 kBit/s MP2 wären dann auch nur aus den 128 kBit/s LC-AAC erzeugt worden - ggf. mit dem Ergebnis, das Du auf UKW hören kannst.
Das ganze System ist von der ARD komplett gegen die Wand gefahren worden.
Das Klein-Netz (ca. 1400 Haushalte), an dem mein Elternhaus hängt, kann auch nicht nach MP2 transcodieren. Woher sollte das Geld dafür kommen? Darüber hinaus sind die dort verbauten UKW-Umsetzer nicht AAC-tauglich und werden es auch nie sein, ein Upgrade ist schon deshalb nicht möglich, weil die Herstellerfirma Blankom Bad Blankenburg nicht mehr existiert. Um die 21 bislang eingespeisten ARD-UKW-Programme zurück zu holen, wäre ein Invest von 4500 EUR Brutto in ein nicht flexibles (und damit riskantes), zu wenig Ausgangspegel lieferndes und kein RDS umsetzendes Neusystem nötig. Würde man es so machen, dass RDS funktioniert und die Integration in die vorhandene Technik ohne generellen Umbau oder qualitätsminderndes Gefrickel möglich wird, wären ca. 8000 EUR Brutto nötig. Das Geld ist dafür nicht vorhanden, deshalb sind auf UKW nun die 21 ARD-Programme stumm. Letztlich hat es die ARD so gewollt.
Rolf_McGyver hat geschrieben: ↑28.02.2022, 23:33
Da nun die AAC-Codierung Fakt ist, haben die Hersteller zusammen mit den Kabelbetreiber für voll funktionsfähige Updates ihrer Anlagen und Geräte zu sorgen und zwar auf Kosten der Verantwortlichen für dieses Schlamassel und nicht auf den Rücken der Kunden!
Die Verantwortlichen sitzen - von unser aller Rundfunkbeitrag finanziert - in der ARD. Die Industrie hat soweit mir bekannt auch erst im Frühjahr 2021 (!) von der handstreichartigen Aktion der ARD erfahren und hatte seit 30.6.2021 mittags die damals noch massiv vermurksten Signale zur Verfügung - wie alle Endkunden auch.
Was Bemondis (Vistron) und auch TechniSat seitdem auf die Beine gestellt haben, ist in höchstem Maße anerkennenswert. Warum es kein via kostenpflichtigem Download oder USB-Stick erhältliches Upgrade für die erste Generation Vistron-Geräte (VT855, VDR100, VDR110) gibt, ist mir allerdings ein Rätsel. Das Upgrade existiert ja, bei der ex-KDG wurde es ja ausgerollt.
Die Kosten, die alleine bei Aufrüstung aller frei gekauften Vistron- und TechniSat-Kabelradios im einstelligen Millionenbereich liegen - da sind die Kosten für Neubeschaffung halbgarer Technik in Ablösung der durch die ARD für die Hörfunknutzung entwerteten, zuvor bestens funktionierenden HDTV-Empfangstechnik nicht drin, auch nicht die Kosten für die Wiederherstellung des UKW-Angebotes in Kabelnetzen - müssten eigentlich den Verantwortlichen für diese Umstellung in Rechnung gestellt werden. Stattdessen zahlen wir nicht nur "vergesellschaftet" diese Schäden, sondern finanzieren diesen Verantwortlichen auch noch das Gehalt.
Das ist zumindest für mich ein gesamtgesellschaftlicher Skandal.